Partizipation trotz Corona?!
Stadtentwicklung mit Bürgerbeteiligung darf in Zeiten der Corona-Pandemie nicht ausfallen. Darin sind sich eigentlich alle einig. Aber wie? Was funktioniert? Wo sind die Grenzen? Machen wir zusammen eine Reise durch die Republik und schauen in die Praxis der cima.
Wir starten an unserem nördlichsten Standort: in LÜBECK. Von dort aus führt uns Kollege Max Burger in den 50 km westlich gelegenen Ort Struvenhütten. Reetgedeckte Häuser, viel Natur, 1.000 Einwohner und die Aufgabe, ein Ortsentwicklungskonzept im Bürgerdialog zu erarbeiten. Die Kollegen setzen auf den PLANERKIT, einer geschickten Mischung aus digitaler und analoger Beteiligung unter Corona-Bedingungen. Bürger bekommen zum Beispiel über eine Projekthomepage verschiedene Arbeitsaufträge und identifizieren so die Potenziale ihres Ortes, gleichzeitig werden aber die Bürger auch per Hauseinwurf erreicht. Max Burger sieht dies als grundlegendes Erfolgsprinzip an: Flexibel sind online- und offline-Angebote zu kombinieren. Arbeitskreise können digital oder im Gemeindehaus stattfinden. Wenn Stadtrundgänge nicht möglich sind, kann eine WikiMap helfen.
Der nächste Stopp führt in das cima-Büro HANNOVER, auch hier hat man jetzt fast ein Jahr Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung unter Corona-Bedingungen gesammelt. Projektleiter Martin Kremming sieht es pragmatisch: „Wenn eine Gemeinde offen ist für technische Innovationen und zumindest einzelne Verwaltungsmitarbeiter technikaffin sind, sind hybride Einwohnerversammlungen auch in kleinen Gemeinden möglich.“ In der Gemeinde Ostrhauderfehn (rd. 10.600 Ew.) wurde der Ratssaal kurzerhand zum Technikstudio umgewandelt. 60 Bürger schalteten sich online zu, mehr als bei jeder traditionellen Bürgerinformation zu einem Bebauungsplan. Wie in Schleswig-Holstein setzen die Kollegen auch hier auf den Instrumentenmix.
Einer anderen Herausforderung in Corona-Zeiten stellten wir uns in KÖLN: Wie gestaltet man förmlich vorgeschriebene Beteiligungsprozesse in Corona-Zeiten? Konkret war es die Frage, wie die Bürger in Troisdorf bzw. Viersen über ein kommunales Einzelhandelskonzept vor dem förmlichen Beschluss durch den Rat der Stadt informiert werden. Beide Städte haben mehr als 60.000 Einwohner, so dass große Bürgerinformationsveranstaltungen ausschieden. In Troisdorf bot die bereits vor der Corona-Pandemie erstellte Projekthomepage den Bürgern die Möglichkeit auf einfache Weise Anregungen und Hinweise zu geben. In Viersen kamen eine kommentierte Projektpräsentation als Video und ein Beteiligungstool auf der kommunalen Homepage zum Einsatz. Die Corona-Pandemie hat in vielen Kommunen den Weg für neue interaktive Beteiligungsformen frei gemacht, die bis vor kurzem undenkbar waren.
Dass Online-Befragungen ein vielseitig einsatzbares – und zugleich kostengünstiges – Instrument der Bürgerbeteiligung darstellen, zeigen auch die Erfahrungen der Kollegen in STUTTGART: Das Spektrum der Projekte mit erfolgreichen Online-Befragungen reicht von städtebaulichen Entwicklungskonzepten, Verkehrsplanungen bis zu Marketingkonzepten. Kollege Florian Gillwald ist überzeugt: „Frühere Bedenken, dass sich weniger onlineaffine, ältere Bevölkerungsgruppen nicht beteiligen, bestätigen sich nicht. Auch die Ü60er sind online unterwegs. Und bei schriftlichen Befragungen häufig unterrepräsentierte Jugendliche lassen sich sogar deutlich besser einbinden.“
Die Reise endet im bayerischen FORCHHEIM. Dieser cima-Standort hat traditionell einen Arbeitsschwerpunkt im Quartiersmanagement vor Ort. Auch dort sind die Kollegen überzeugt: In Zeiten geschlossener Quartiersbüros und Geschäfte muss und kann die Beteiligung digital erfolgen. Die vielen lokalen Selbsthilfeinitiativen der ersten Lockdown-Phase haben gezeigt, dass sich in vielen Fällen sogar bislang nicht aktive Bürger für ihre Stadt gewinnen lassen.
Was bleibt als FAZIT dieser Reise?
- Technische Fitness in den Gemeinden ist Voraussetzung für den digitalen Dialog.
- Zum Teil gelingt die Mobilisierung sogar besser; so können z. B. auch Berufstätige einfacher an Veranstaltungen und Workshops teilnehmen.
- Ohne ein Mindestmaß an persönlichem Dialog geht es nicht.
- Der Datenschutz darf Bürgerbeteiligung nicht verhindern.
- Manchmal sind unkonventionelle Lösungen gefragt. Der Pioniergeist aus der ersten Lockdown-Phase kann weiterhin ein Erfolgsmodell darstellen.
Möchten Sie mehr erfahren?
Im cima.direkt-Magazin 3.2020 haben wir Partizipation in Corona-Zeiten zum Schwerpunktthema gemacht.
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